Dienstag, 26. Juli 2011

Hallöchen

Sooo... Jetzt habe ich es endlich geschafft, meinen letzten langen bericht aus dem schönen Kumbo ins Internet zu stellen. Letzte Woche war ich zu sehr mit packen, tschüss sagen und kUmbo ein letztes mal so richtig genießen beschäftigt, sodass ich leider keine Zeit und Nerven fand, mich ein letztes mal dem laaaaaaangsamen Internet auszuliefern... So also ganz schnell und unkompliziert mit schnellem deutschen Internet aus Deutschland...
Ich bin heute morgen gut hier in Frankfurt gelandet und noch sehr von dieser Sauberkeit und Ordnung hier beeindruckt. Der Abschied war gut. Natürlich auch ein bisschen traurig, aber das ja gehört nun mal zum Abschied dazu.
Soweit von mir, alles Liebe!
Ruth

15. 7. 11 - Klappe, die letzte!

Halli hallo meine Lieben!

Hier melde ich mich mit meiner letzten Nachricht aus Kamerun. Denn, kaum zu glauben, aber wahr, es ist nun um, das ganze Jahr! Und seit meinem letzten Bericht ist mal wieder so schrecklich viel passiert, dass ich gar nicht weiß, womit ich anfangen soll und was ich überhaupt erzählen soll, weil hier inzwischen wirklich alles alles alles so normal für mich ist.

Als Bri und ich letztens in Yaoundé waren, um uns von ein paar Freunden aus Kumbo zu verabschieden, die da studieren oder arbeiten, waren wir im Supermarkt dort. Ein wirklich richtig großer Supermarkt, wo man alles kriegen kann (sogar Nutella =), mit einer Käse – und Fleischtheke, mit Obstabteilung und so weiter und sofort. Aus Deutscher Sicht betrachtet einfach ein stinknormaler Supermarkt, aber für uns war das total fremd und ungewohnt – Alles war so sauber, es gab Kassen mit richtigen Maschinen, die dann auch einen Kassenbon ausdrucken und so viele Weiße und Reiche haben dort eingekauft, dass wir uns schon fast unwohl gefühlt haben. Wirklich kaum vorstellbar für uns, dass so in Deutschland alle Läden aussehen und diese allgemeine Sauberkeit vollkommen selbstverständlich ist. Das ist nur eines von vielen Beispielen, die mich wirklich merken lassen, dass ich mich sehr an die Bedingungen hier gewöhnt habe und auch mit ein bisschen Sorge auf das zurückkommen schaue. Sorge darum, dass ich mich in all dem Luxus, den wir genießen können, nicht mehr zurechtfinden kann und immer daran denken muss, wie andere Menschen leben müssen und dass wir all das eigentlich gar nicht brauchen, um glücklich zu sein – oder anders herum, dass wir wirklich sehr viel Glück haben mit dem, was wir alles haben und trotzdem niemand so richtig zufrieden ist. Warum? Weil es uns vielleicht an anderen Dingen, die viel wichtiger oder mindestens genauso wichtig sind, fehlt, wie zum Beispiel Gemeinschaftsdenken, Familienzusammenhalt, die Fähigkeit, sich einfach mal die Zeit zu nehmen, um sich zu entspannen, Zeit mit Freunden zu verbringen, die Gedanken baumeln zu lassen…? Zugegebenermaßen haben die Kameruner vielleicht ein bisschen zu viel dieser Fähigkeiten, was dazu führt, dass sich nichts oder nur wenig weiterentwickelt und vorangeht, aber manchmal könnten wir uns doch eine Scheibe dieser Gelassenheit abschneiden. Eine gesunde Mischung aus beiden Extremen wäre das Ideal. Wie auch immer – Ich bin gespannt, was das Wiederkommen mit mir macht.

Was ich aber eigentlich erzählen wollte ist, was ich in den letzten 2 Monaten so alles gemacht habe… Viel! Zum Beispiel habe ich aufgehört, im Waisenhaus zu arbeiten, wurde dort sehr sehr freundlich verabschiedet (mit ganz viel Fufu und Njama-Njama (das traditionelle Essen, was es eigentlich immer gibt), Reden, vielen Danksagungen, Tanz, Gesang und Freude… Wie man das hier in Kamerun so macht…). Ich komme aber auch jetzt noch regelmäßig zu meinen Kinderchen und den Mädchen, die auf sie aufpassen und freue mich immer, wenn ich mit „Ruth has come, Ruth Ruth, welcome…“ von allen begrüßt werde. Und heimlich still und leise freue ich mich auch, wenn mein Baby Fanuel (, das inzwischen ja kein Baby mehr ist), das 3 Monate alt war, als ich letztes Jahr hier ankam, das ich auf und ab auf meinem Rücken getragen habe, das ich gefüttert und gewickelt habe, dem ich zugeschaut habe, wie es krabbeln und laufen gelernt hat, für das ich lange wie eine Mama war, weint, wenn ich wieder gehe und nur schwer dazu gebracht werden kann, aufzuhören. =)

In den letzten Monaten hat sich viel verändert im Waisenhaus. Viele neue Kinder, vor allem Babies sind gekommen, wurden gebracht aus dem Krankenhaus oder aus Dörfern, weil die Mütter entweder gestorben oder verrückt sind, weil die Familie sich nicht kümmern kann um die kleinen Neugeborenen. Ein Kind kam, schon 3 Monate alt, das nur mit Pap (eine Art Maisbrei, der eigentlich nur aus Stärke und Wasser besteht, also ohne jegliche Proteine, Vitamine oder Mineralstoffe, die gerade Babies so dringend brauchen, um sich richtig zu entwickeln) gefüttert wurde und dessen Körper zwar speckig, dafür aber vollkommen schlapp und ohne jegliche Spannung war. Inzwischen geht es ihm schon besser, nachdem es weitere 3 Monate mit der „tollen“ teuren nestle-Baby-Milch gefüttert wurde. Im Moment sind 7 kleine Babies dort, die alle diese Milch trinken, die wirklich für hiesige Verhältnisse nicht billig ist (ein Karton mit 12 Packungen, der vielleicht 1,5 Wochen reicht, kostet 30.000 cfa, ca. 46 Euro). Die Schwester versucht ihr bestes, bekommt Geld auch nur durch Spenden, vor allem von wohlhabenden Kamerunern, die unregelmäßig und nicht planbar ankommen. Manche Familien der Kinder haben ein bisschen, was sie beitragen können, manche haben nichts. Wie zum Beispiel die Familie von Laurentine, die seit einem Monat wieder mit ihrer Tante und Großmutter auf dem Dorf – im totalen Busch – wohnt. Ich habe sie letzten Sonntag besucht und gesehen, unter welchen Umständen sie jetzt lebt. Eine Lehmhütte, bestehend aus einer Feuerküche und einem Raum mit Bett, umringt von Maisfeldern, in der 5 Menschen leben. Es ist unklar, wer und ob überhaupt jemand das Schulgeld für sie bezahlen kann, wenn sie nächstes Jahr alt genug sein wird, um in die Nursery-school zu gehen. Noch tappst sie ein bisschen unbeholfen auf dem unebenen Erdboden herum – Im Waisenhau kannte sie nur geraden Untergrund… Ist es richtig, sie zurück zu ihrer Familie zu lassen, die vielleicht nicht richtig für sie sorgen kann? Darüber habe ich mit der Schwester geredet. Sie sagte, eigentlich hätte sie das ablehnen müssen, aber die Liebe, die diese Großmutter für ihre Enkelin hat, die Freude, die sie gesehen hat, als sie kam, um Laurentine abzuholen, haben sie davon überzeugt, dass diese Frau alles für sie machen wird. Ihr Mann hat sie verlassen, die Tochter ist bei der Geburt der Enkelin gestorben, nachdem sie von einer fremden Frau gezwungenermaßen, ohne die heimische Tradition zu berücksichtigen zu einem fremden Mann gebracht, quasi zwangsverheiratet und dann geschwängert wurde, ohne dass jemand für die Routinevoruntersuchungen aufgekommen ist… Laurentines Vater hat sich natürlich aus dem Staub gemacht und kommt mit keinem Cent für seine Tochter auf. Solche Geschichten gibt es ohne Ende hier. Aber diese Liebe und Freude, von der die Schwester gesprochen hat, die habe ich selbst auch erleben dürfen, als ich dort war. Ich wurde so nett empfangen, habe etwas zu essen angeboten bekommen (Pap! Eigentlich keine richtige Mahlzeit, aber eben das, was es gab) und gleich auch noch einen Sack Kartoffeln geschenkt bekommen. Da fühlt man sich natürlich auch schlecht danach – zu wissen, dass diese Menschen selbst um ihr tägliches Essen kämpfen und dann das wenige Bisschen, das sie haben, teilen und verschenken, als Ausdruck ihrer Dankbarkeit und Freude, dass die Weiße, die sich so lange um ihr Kind gekümmert hat, den weiten Weg auf sich genommen hat, um sie zu besuchen und einfach nur zu zeigen, dass sie an sie denkt und sie nicht vergessen hat… Das ist ein weiteres bespiel für die Mentalität, von der wir uns eine Scheibe abschneiden könnten – das von Grund aus Gute, Gemeinschaftliche, Liebevolle, Freundliche, dem man hier so oft – vor allem in den ländlichen Regionen, wo die Menschen am wenigsten haben - begegnen kann. Trotz schlechten Gewissens nach diesem Besuch, war es doch ein sehr erfüllendes und prägendes Erlebnis. Ich bin mit der Schwester in Kontakt und werde sehen, ob ich nicht vielleicht etwas zurückgeben kann von dem, was mir dort geschenkt wurde…



Trotz vieler solcher teilweise traurigen Geschichten überwiegen doch die schönen Augenblicke und eine positive Grundstimmung, gute Laune und Dankbarkeit dafür, was ich erleben darf. Was wohl aus meinen Kinderchen wird, wenn sie mal groß werden – Ob ich sie je wiedersehen werde – ich weiß es nicht. Aber ich bin froh darüber, dass ich ihnen mit meiner Anwesenheit und meiner Fürsorge ein bisschen Spaß und Freude gebracht habe… Und ihnen hoffentlich zeigen konnte, dass sie geliebt und gebraucht werden…
(Entschuldigung, dass das vielleicht ein bisschen kitschig und überheblich – das soll es eigentlich nicht)

So habe ich also das Waisenhaus verlassen und bin jetzt seit 6 Wochen in der Geburtenstation des katholischen Krankenhauses in Shisong. Hier darf ich auch sehr viel Interessantes und Spannendes erleben. Gestern habe ich das erste Mal bei einer Geburt so richtig selbst assistiert, habe die Nabelschnur abgeknipst und abgeschnitten, das Baby danach gewogen, abgerubbelt und angezogen, der Mutter und der Familie gezeigt, was eigentlich immer der schönste Teil des ganzen ist, weil dann oft gesungen und getanzt wird, und danach alles gewaschen und geputzt. Außerdem habe ich gesehen, wie Zwillinge auf die Welt kamen!!! =)
Wenn gerade keine Frau in den Wehen liegt oder entbindet, werden die Routineuntersuchungen der schon entbundenen Frauen durchgeführt, jeden Tag werden die Babies gebadet, was auch immer sehr schön ist, und ab und zu werden auch ein paar männliche Babies beschnitten und den weiblichen werden mit bloßen Händen Ohrlöcher gestochen =). Ich mache aber auch viele Betten, erfülle irgendwelche Laufdienste („Bring mal die Blutprobe ins Labor, hol aus der Apotheke dieses Medikament, bring diese Akte ins Büro, wo die Rechnungen gemacht werden“) und sitze manchmal auch einfach nur rum, weil nichts zu tun ist… Was dann alles weniger spannend ist, aber eben auch dazu gehört. Außerdem gehört zu der Geburtenstation ein Frühchen-Zimmer, das teilweise auch belegt ist. Ein Frühchen, dessen Kopf bei der Geburt gequetscht wurde, weil es zu groß war und eigentlich ein Kaiserschnitt hätte gemacht werden müssen (er wurde nicht gemacht, weil die beiden Gynäkologen es irgendwie nicht auf Reihe bekommen haben, die Entscheidung früh genug zu treffen…) habe ich leider auch schon sterben sehen, ein anderes habe ich letztens gebadet und füttere ich regelmäßig mit der besagten nestle-Milch. Wenn dieses überlebt und stabil genug ist, wird es wohl ins Waisenhaus kommen, weil die Mutter aus welchen Gründen auch immer irgendwo im Norden Kameruns ist und sich nicht um das Baby kümmern kann…



Es ist eine super Erfahrung im Krankenhaus, die ich hier noch in den letzten 6 Wochen meines Freiwilligendienstes machen kann und die ich in Deutschland als unausgebildete Abiturientin niemals hätte machen dürfen. Zwar verstehe ich nicht so viel, wie ich vielleicht in Deutschland würde, weil mir die Fachausdrücke im Englischen einfach fehlen, aber die grundsätzlichen praktischen Dinge kriege ich hier schon mit, was wirklich gut ist!

An den Wochenenden machen wir schöne Ausflüge. Wir waren zum Beispiel in Nigeria (zwar nur 2 Stunden direkt im Dorf, das an der Grenze liegt), haben dazu in einem Kanu den Grenzfluss überquert, was ganz schön abenteuerlich war.




Außerdem waren wir, wie schon erwähnt noch einmal in Yaoundé, und haben dort die Hauptstadt nochmal so richtig erleben können, die doch so anders ist, als Kumbo – so hektisch und riesig, voll von Autos und frankofon… Das heißt ohne französisch, das weder Bri noch ich sprechen, kommt man nicht allzu weit. Da wir aber Freunde von uns aus Kumbo getroffen haben, haben wir den anglofonen Stadtteil von Yaoundé am besten kennengelernt. Das ist wie eine Art „Ghetto“, in dem sich die anglofonen, also die aus dem Nord- und Südwesten Kameruns angesiedelt haben und in dem man auch viel Lamnso hört, die Sprache, die hier in Kumbo gesprochen wird, weil der Volksstamm hier um Kumbo herum einer der größten Kameruns ist und durch seine besondere Stellung der Tradition die Sprache hier – anders in anderen Stämmen – auch noch sehr oft und viel gesprochen wird. So fühlten wir uns doch – auch mitten in der typisch afrikanischen französischsprachigen Millionenstadt – ein bisschen heimisch und behütet. Vor allem, weil die anglofonen Kameruner bekanntlich (das geben selbst die Frankofonen zu) offener und freundlicher sind, als die Frankofonen. So richtig viel Sightseeing konnten wir aber leider nicht machen. Wir haben versucht, zum Beispiel ins Nationalmuseum zu kommen (ein Museum im ehemaligen Präsidentenpalast). Dieses war aber leider geschlossen und weil wir dem Wachmann auch kein Bier ausgeben wollten, wurden wir nicht einmal auf das Gelände gelassen, um Fotos von außen zu machen… Nur ein kleines Korruptionsbeispiel… =) Dann halt nicht… Yaoundé war ein weiterer Beweis für die - positiv ausgedrückt - Vielseitigkeit, - negativ ausgedrückt - Uneinigkeit und Widersprüchlichkeit dieses komischen zweisprachigen zerrissenen vereinten Landes. Interessant!





Wir waren im Dorf eines Freundes und haben Holzschnitzereien bei einem seiner Verwandten gekauft…

Wir haben schöne ruhige Wochenenden in Kumbo mit einigen lieben freunden verbracht.
Wir wurden zum Essen eingeladen, haben zum Essen eingeladen, gemeinsam gekocht, gelernt, gutes Fufu zu kochen…


Ich war auch noch an einem Wochenende in meinem Dorf Tabenken und habe meine Leute dort besucht, was auch wunderschön war – Ein weiterer herzlicher Empfang mit netten Gesprächen und Vertrautheit… Nächstes Wochenende gehe ich ein letztes Mal dorthin, um Abschied zu nehmen…



So vergingen die letzten 2-3 Monate wie im Flug und nun ist nur noch eine Woche übrig von diesem ganzen Jahr hier… Eine Woche, die wahrscheinlich eher stressig, als schön sein wird, weil ich beschäftigt sein werde mit ganz vielen letzten Einladungen, Besorgungen von Geschenken und Mitbringsel für zuhause, Verschenken von Dingen, die ich nicht mehr brauche, Abschiedsfeiern und Packen… Und so weiter…

Und dann werde ich am 26. Juli in Frankfurt ankommen und alle meine Lieben wieder sehen, die ganz oft an mich gedacht haben und an die ich ganz oft gedacht habe und ich werde Vollkornbrot essen können und Schnitzel und Äpfel und Himbeeren und und und… Ich freu‘ mich drauf! Was ich hier erleben durfte, kann mir niemand mehr nehmen und wird wohl immer Teil meines Lebens bleiben. Ich bin sehr froh, diese Erfahrung gemacht zu haben und hoffe, eines Tages zurückzukommen und vielleicht einige liebe Menschen wiederzusehen, vielleicht einige Veränderungen und Entwicklungen festzustellen und die Schönheit dieses Orten nie zu vergessen…

Danke für euer Interesse, für eure E-Mails und Unterstützungen, über die ich mich immer sehr gefreut habe. Ich freue mich sehr darauf, euch wieder zu sehen. Bis bald!!! =)

Eure Ruth!