Donnerstag, 9. Dezember 2010

Von Weihnachtplätzchen, Staub und Lagerfeuern – Ist es wirklich schon Advent?

Kaum zu glauben, dass die Adventszeit schon begonnen hat. Wie die Zeit vergeht... Und hier ist es irgendwie garnicht adventlich. Auch wenn wir versuchen mit Adventskranz und Pläzchen (das einzige, auf das wir beim Plätzchen backen verzichten müssen sind Mandeln und andere Nüsse – diese ersetzen wir dann mit Erdnüssen, die es hier wirklich in Massen gibt, was zur Folge hat, dass alle Plätzchen relativ ähnlich erdnüssig schmecken...) eine vorweihnachtliche Stimmung zu erzeugen – so richtig klappt das nicht, auch wenn es trotzdem sehr nett und gemütlich ist. Ich weiß auch garnicht, ob ich im Moment lieber Schneemassen um mich hätte, als strahlend blauen Himmel mit Sonnenschein und (das negative an der Trockenzeit, die mitlerweile nach langem Warten begonnen hat) STAUB!!! – feinster roter Staub, der einfach überall ist. Weiße T-Shirts sind abends rot-bräunlich, die Haare fühlen sich strohig an, die Füße trocknen aus und eine Gundbräune ist von ihnen nur sehr schwer zu entfernen... Außerdem müssen wir jetzt immer unseren Garten gießen, damit die Kohlköpfe, der Lauch, die Zwiebeln, der Petersilie und der Sellerie nicht vertrocknen. Es kommt jetzt öfters vor, dass kein Wasser aus den Leitungen kommt, so müssen wir auch darauf achten, immer einen gewissen Wasservorrat in Eimern und Flaschen zu bunkern, für den Fall, dass das Wasser länger wegbleibt. Eine kalte Eimerdusche wird zur Normalität, sodass man, wenn dann mal Wasser mit genug Druck für die Dusche und gleichzeitig Elektrezität für den Beuler da ist, das warm-Duschen in vollen Zügen genießen kann! Die Nächte und die Morgende sind sehr kalt (ca. 5°C), tagsüber kann es aber bis zu 35-40°C in der Sonne werden. Im Schatten ist es aber durch die Höhenlage Kumbos immer angenehm frisch. Wir haben letztens ein Lagerfeuer in unserem Innenhof gemacht und Stockbrot gegessen und tagsüber haben wir noch den ganzen Tag Plätzchen gebacken... Etwas absurd, aber irgendiwe schön! =) Der Kamerunische Sternenhimmel ist außerdem etwas wunderschönes, das eine Erwähnung wert ist.

Die Arbeit im Waisenhaus genieße ich sehr. Dadurch, dass die amerikanische Schwester und ich vormittags auf die Kinder so gut wie alleine aufpassen, können sie sich da so richtig austoben und spielen und Kind sein, was manchmal natürlich anstrengend ist – zumal sie nach wie vor auf nicht-schlagende Anweisungsgeber nur selten reagieren, meistens aber wunderschön ist!
Mit Papier und Malstiften versuchen wir auch, ihnen beizubringen, Kreise, Rechtecke und Dreiecke und die verschiedenen Farben zu unterscheiden und ein bisschen zu malen, aber viele sind daran nicht so richtig interessiert, sondern können den Moment kaum erwarten, an dem die Schwester und ich dann auf die Bitte, aus ihrem Blatt Papier doch einen Geldbeutel oder einen Regenschirm, oder ein Telefon, oder einen Hut, oder eine Brille (Ein Regenschirm ist einfach ein zusammengerolltes Blatt) zu falten, reagieren und dieser Bitte nachkommen.
Dann wird nämlich Einkaufen gespielt, oder „in die Kirche gehen“, oder telefonieren... Es ist immer sehr schön anzusehen, wieviel Fantasie Kinder doch haben, und mit wie wenig man sie glücklich machen kann, wenn man nämlich einfach ein Blatt Papier dreimal faltet und sagt: „Das ist ein Geldbeuten, ich gebe die Geld, kannst du damit auf dem Markt bitte ein paar Erdnüsse und Bananen kaufen gehen“ Dann zaubert sich ein Lächeln aufs Gesicht und schon sind sie verschwunden und kommen kurze Zeit später wieder, mit Erdnüssen und Bananen aus Luft, die ich dann genüsslich esse oder anderen Kindern verfüttere. Es ist auch wunderschön, zu sehen, wie sich die Kinder entwickeln. Ein Kind, das am Anfang kaum etwas gesagt hat, dessen Stimme ich lange Zeit garnicht kannte, redet jetzt schon relativ viel und ist viel aufgeweckter geworden. Ein anderes, das zu Beginn nur herumgeturnt und geklettert ist und eine sehr ruhelose Art hat, kann man beim Schreiben, wenn man sich ein bisschen mit ihm beschäftigt, ruhig und konzentriert Kreise und Erdnüsse malen sehen. Viel länger als die meisten anderen Kinder. Aber die Entwicklung, die am leichtesten zu erkennen ist und am meisten auffällt, ist natürlich die des Babys, das inzwischen schon über den Boden robben kann und furchtbar gerne steht, sodass wir glauben, dass es läuft, bevor es richtig krabbeln kann. Letztens habe ich es auf den Boden gesetzt, weil ich für die anderen Kiner die Milch eingeschenkt habe. Ich war ganz kurze Zeit damit beschäftigt und als ich wieder in Richtung Baby geschaut habe, stand es auf einmal, sich an einer Bank festhaltend und grinste mich ein bisschen schelmig an.

Im Großen und Ganzen hat sich also der anfängliche Schock über die Art, wie Kinder behandelt werden, relativiert und ich bin wirklich sehr gerne in diesem Waisenhaus. Nächste Woche sollen wir ein ganz frisches Baby bekommen, was in dem Krankenhaus ausgesetzt wurde, in dem Mona, eine befreundete deutsche Ärztin arbeitet (deswegen weiß ich das auch). Dieses Kind wurde direkt nach der Geburt mit Nachgeburt und Blut und allem was sonst noch so rauskommt in einer Plastiktüte vor dem Krankenhaus ausgesetzt und man hat es erst gefunden, als es schon ein paar Ameisen angeknabbert hatten. Mona hat es aber wieder gut aufgepeppelt. Schrecklich, soetwas mit seinem Kind zu machen, aber die Mutter wusste wahrscheinlich keinen anderen Ausweg. Vielleicht ist es unehelich oder von einem anderen Mann als ihrem Ehemann und die Familie würde das Kind verstoßen... Zustände, wie bei uns im Mittelalter... Wenn man das hört, kann man nur ungläubig den Kopf schütteln... Alle meine Kinder im Waisenhaus haben wahrscheinlich eine mindestens genauso tragische Geschichte, und nicht nur die im Waisenhaus - in anderen Familien leben so viel mehr adoptierte Waisenkinder... Ein Fass ohne Boden...

Jedenfalls bin ich gespannt auf das neue Baby...

Anfang nächsten Jahres planen wir, für einige Woche im Dorf zu leben und dorf in einem health center zu arbeiten (jeder in einem anderen Dorf). Health center sind kleine Krankenhäuser, die oftmals nur eine oder wenig mehr Krankenschwestern als Personal haben und wo eben die hingehen, die sich die Transportkosten nach Kumbo und das Krankenhaus nicht leisten können, wo es aber natürlich noch viel weniger medizinische Möglichkeiten gibtm den Menschen zu helfen. Die Erfahrung, zum einen nochmal ganz alleine etwas zu machen, in einem Dorf zu leben und die Leute und deren Leben dort kennenzulernen und in die medizinische Versorgung etwas reinzuschnuppern, ist, denke ich, sehr interessant und spannend – bestimmt nicht immer leicht und vielleicht auch ein bisschen langweilig, aber wertvoll!

Danach möchte ich wieder ins Waisenhaus zurück. Ein bisschen plagt mich das schlechte Gewissen, die Leute im Waisenhaus alleine zu lassen, denn inzwischen bin ich ihnen schon eine große Stütze geworden. Vor allem mit dem Baby, das mich so ins Herz geschlossen hat (ich es natürlich auch), dass manchmal nur ich es zum Schlafen bringen kann und es jeden Mal, wenn ich morgens komme, zu grinsen beginnt und auf meinen Arm möchte... Das ist zum einen sehr sehr sehr schön, zum anderen gehe ich ja nach einem Jahr wieder und das Kind erlebt einen weiteren Verlust der „Mama“. Gebraucht zu werden, fühlt sich gut an, hat aber auch seine negativen Seiten... Naja, im Moment fühlt es sich vor allem gut an! Und diese negativen Seiten sind nun mal Teil eines solchen begrenzten Aufenthaltes.

Ich wünsche euch auf alle Fälle eine wunderschöne, nicht allzu stressige Adventszeit und viel Spaß im Schnee! =)